Warum schlägt sich jemand die Nächte auf Youtube und in Internetforen um die Ohren, um die Ansicht bestätigt zu bekommen, dass Corona keine echte Bedrohung darstelle, sondern in ihrer Gefährlichkeit hochgespielt und die Krise „in Wahrheit“ von einer im Verborgenen operierenden Clique, wahlweise von Pharmalobbyisten, Politikern oder … gesteuert werde?

Wer darüber online ernsthaft diskutieren möchte, kommt schnell an die Grenzen dessen, was man noch ertragen möchte. Argumente spielen keine Rolle, es ist wenig sinnvoll, sich auf Faktenschlachten einzulassen.

Hilfreicher kann es sein, sich auf Motive und Beweggründe einzulassen: Warum ist es diesen Menschen so wichtig?

Ist es die Angst vor Kontrollverlust, den Geschehnissen schutzlos ausgeliefert zu sein? Weil man sich zur Passivität verdammt fühlt?

Ist es dann leichter, das Ganze einfach zu leugnen und zu behaupten, die Gefahr wäre nicht real, sondern nur eine Illusion mächtiger geheimer Eliten? Psychologisch verständlich: man fühlt sich wieder als Handelnder, als jemand, der oder die es durchschaut hat. Man hat einen mehr oder minder greifbaren Gegner (anstelle eines unsichtbaren Virus), man findet schnell Gleichgesinnte mit einer ähnlichen Abwehrhaltung.

Ein Art Religionsersatz. Dazu alltagstauglich, weil sie vermeintlich rationale Begründungen liefert.

Anstatt die oft ausufernden Phantasien zurückzuweisen erscheint es mir zunehmend wichtiger, die emotionalen Bedürfnisse ihrer Vertreter*innen und die emotionale Struktur unserer Gesellschaft in den Blick zu nehmen.

Vielleicht hilft das auch zu verstehen, warum – nach meinem Eindruck jedenfalls – ganz besonders ernsthaft glaubende Christ*innen für diese Spekulationen anfällig sind.