Laufen am Kocher, ein kleiner Ort im Schwäbischen Wald, in dem wir eine Woche lang Urlaub machen. Am Sonntag ist dort Gottesdienst, eine kleine Gemeinde, 750 Gemeindeglieder, mit der Nachbargemeinde Sulzbach und ihren 1100 zusammengeschlossen.

Die Heerbergskirche liegt auf einem steilen Berg, es gibt nur wenig Parkplätze. Der Gottesdienst beginnt bereits um halb zehn, es ist bester Ausflugswetter und es gibt natürlich Corona-Beschränkungen. Es gibt einfachere Rahmenbedingungen.

Wir erleben einen richtig guten Gottesdienst. Die Kirche ist so voll, wie sie überhaupt sein kann, einige müssen in den Chorraum ausweichen. Alle Generationen sind vertreten. Es gibt Orgel- und Bandmusik und eine gute, lebensbezogene Predigt des Prädikanten. Hauptamtliche waren gar nicht nötig.

Kirche der Zukunft? Vielleicht ein bisschen. Aber ganz anders als es die EKD mit ihren „11 Leitsätzen für eine aufgeschlossene Kirche“ im Blick hat. Hier gibt es Kirche und Gottesdienst von Christen vor Ort und im Ort! Sehr konkret und erlebbar!

Der EKD scheint das nicht so wichtig, will sie doch eine Wandel “weg von flächendeckendem Handeln hin zu einem dynamischen und vielgestaltigen Miteinander wechselseitiger Ergänzung (…), um die Bedeutung des traditionellen Sonntagsgottesdienstes in Relation zu setzen zu den vielen gelingenden Alternativen gottesdienstlicher Feiern und christlicher Gemeinschaft.“

Mal abgesehen, dass ich mich bei diesen Sprachhülsen nach ihrer konkreten Bedeutung frage (Wie sehen denn die Alternativen aus? Kausualagenturen mit Wanderpredigern oder Livestreams?):

Ohne die Ortsgemeinde geht es wohl kaum, will man sich auf die wichtige Glaubensweitergabe an die nächste Generation konzentrieren. Hier werden zahlreiche Familien erreicht, über Kitas und lebensbegleitende Kasualien, über Konfis und Jugendarbeit. Hier geschieht die reale physische Präsenz des Glaubens, der weit mehr ist als nur Weitergabe von Glaubenswissen, wie es die Thesen benennen. Hier gewinnt man Ehrenamtliche. Hier identifizieren sich die Kirchenmitglieder mit ihrer Kirche.

Das kann man besser machen! Sehr schade, dass zum Beispiel das bayerische Reformkonzept „Profil und Konzentration“ mit ihrer Einbindung von Ortsgemeinden kein Rolle gespielt hat – aber ist das vielleicht der starken VELKD geschuldet, die die EKD ja gerne als dringend abzubauende Struktur in ihrem letzten Leitsatz beschreibt?

Nun seien diese Leitsätze ja nur ein erster Entwurf, wird der Kritik von Seiten der EKD entgegnet. Hoffentlich! Und hoffentlich kommen dann auch geistlich-theologische Themen zum tragen, bei denen Jesus Christus nicht nur „Urbild und Vorbild“ ist, wenn sich die Kirche „für die Schwachen, Ausgegrenzten, Verletzten und Bedrohten einsetzt“, sondern in denen auch die Heilsbedeutung von Tod und Auferstehung für unsere zerrüttete Gottes- und Weltbeziehung in ihrer Relevanz verdeutlicht wird.

Sonst verwandelt sich das missionarische Anliegen der Kirche in eine moralisierende Haltung. Dann wird sie unsichtbar. Dann wird, in den Worten Gerhard Wegners, des früheren Direktors des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, die gute alte vom Soziologen Thomas Luckman (1927-2016) propagierte unsichtbare Religion in einer unsichtbaren Kirche zur Vollendung des Protestantismus.