Von weiter oben hat man einen besseren Ausblick. Und im Rückblick einen Überblick.

Am Hauptbahnhof werden die Rechten empfangen

Rückblickend konnte man mit dem vergangenen Samstag in Bielefeld eigentlich zufrieden sein (auch wenn jetzt ein völlig überzogenes Polizei-Bashing die Runde macht):

2:1-Betreuung

Mehr als 6000 demonstrierten gegen eine Nazi-Kundgebung mitten in der Stadt, zu der gerade mal 400 (!) Rechte kamen, oft von weit her angereist, viele aus Dortmund. Bei ungefähr 1000 Einsatzkräften hätte man ja immer zu dritt händchenhaltend losziehen können, wenn es nicht eine zu große Zumutung für die Polizisten gewesen wäre …

Die Holocaust-Leugnerin wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt

 

Vorgeblicher Anlass für die Anmeldung zu dieser rechten Demo:

Am Vortag wurde die notorische und deshalb inhaftierte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverkamp 90 Jahre alt. Im Nazi-Jargon gilt sie als „politische Gefangene“. Sie verbüßt ihre Strafe in der JVA Brackwede bei Bielefeld.

 

 

 

 

Rechte und recht lustige Kommentare

Unsägliches aus der rechten Ecke: „Nie, nie, nie wieder Israel!“ und „Wer Deutschland liebt, ist Antisemit!“ wurde skandiert oder „Euch müssten wir erschießen!“ angesichts des Pfeifkonzerts zur Begrüßung am Hauptbahnhof.

Mein persönlicher Favorit!

Wer Sarkasmus mag, war bei einigen klugen Kommentaren der Gegen-Demos gut aufgehoben: „Hafergebäck statt Haverbeck“ plakatierten Naturfreunde und Grüne Jugend).

Oder: „Das B in Nazis steht für Bildung“.

Bei einem Imbiss war zu lesen: „Nazis essen heimlich Döner“.

Der Bunker Ulmenwall beschallte in einer spontanen Aktion die Abschlusskundgebung vor dem Landgericht mit „Schrei nach Liebe“ von den Ärzten – ok, durften sie nicht, Demonstrationsrecht, aber trotzdem gut!

Ein „Evangelist“ von Rechtsaußen

Für mich als Christen besonders ekelhaft war der Auftritt des selbsternannten „Evangelisten“ Christian Bärthel.

Wer sich´s antun will: https://www.youtube.com/watch?v=54V4mORl3P0 ab 0:41

Die Juden, rief er, hätten Christus verworfen, sie hätten sein Opfer nicht angenommen, und würden daher „einen neuen Mythos“ benötigen: mit der Nennung des §130 StGB spielte er auf den Holocaust an. Und forderte auf, einzustehen für „das, was uns trägt und was uns befreien wird“. „Gott segne euch, Gott segne unser deutsches Vaterland“ schrie er am Ende mit heiserer Stimme.

Bärthel gehört in seiner thüringischen Heimat in eine Kleinstgemeinde. Der ERF hat sie auf seiner Gemeindeübersicht schnell entfernt. Aber leider haben ja nicht wenige rechtskonservative Christen in dieser Richtung eine offene Flanke. Denn so grundsätzlich neu waren diese Argumente nicht. Den Holocaust als einen von den Juden selbst erschaffenen „Mythos“ zu nennen… das ist schon stark. Und immer ganz haarscharf an der Grenze des juristisch Erlaubten entlang.

Mir zeigt es, wie wichtig ein guter, biblisch begründeter Umgang mit dem Gottesvolk ist. Und wie problematisch das Festhalten an einer Substitutionstheologie, nach der das Volk Israel verworfen sei und die Christenheit an seine Stelle rücke.

Also, mit diesem Mann und seinesgleichen zu diskutieren, hat wenig Sinn – hier gilt es, Flagge zu zeigen. Sie nicht zu Wort kommen lassen. Sondern dagegenhalten. Laut. Und fantasievoll.

Das ist nochmal anders mit AfD-Sympathisanten – und damit kein Widerspruch zu meinem vorherigen blog. Deren Zahl ist sehr viel größer und nicht wenige sind grundsätzlich ansprechbar. Wir sollten sie nicht an die Nazis verloren geben.

In der Innenstadt ging nichts mehr: alles abgesperrt.

Am Samstag wurde vorgeführt, dass die Nazis in deutlicher Minderheit sind – dass dies gelungen war, konnte man sogar im Kommentar auf der Homepage der „Rechten“ zu lesen!

Zwar musste Bielefeld wegen einer letztlich kleinen Demo abgesperrt werden,aber auf der Gegenseite war es voll.

 

 

So voll, dass man am Abend in einem live-Ticker erfuhr:

10. Nov. 2018 13:43 Uhr

Demonstranten klettern an Bushaltestellen hoch

Es ist so voll am Bielefelder Hauptbahnhof, dass die Gegendemonstranten an Bushaltestellen hochklettern.

Die Polizei bittet, die Haltestellen zu räumen.

 

 

 

Na, und nicht zuletzt hat man von da oben ja auch einen guten Überblick… (s. Anfang)