„Die Videos sind nervig, aber gut!“ So formulierte es der Autor Erik Flügge in seinem Beitrag zum vieldiskutierten Jana glaubt-Video „Müssen sich Frauen unterordnen?“
Zwei junge Frauen diskutieren über männliche und weibliche Rollenbilder. Hanna Jacobs, evangelische Pfarrerin im Probedienst in ihrer ersten Stelle beim Innovationsprojekt raumschiff.ruhr in der Essener City, und Jana Highholder, Medizinstudentin und Poetry Slammerin. Die eine will Kirche verändern und attraktiv machen für Menschen, die der Jugendarbeit entwachsen sind und keinen rechten Platz in der Institution Kirche finden, die andere ist mit ihrem Kanal Jana glaubt auf Youtube Aushängeschild für eine EKD-Digitalstrategie. Beide auf ihre Art „im Dienst“ der evangelischen Kirche.
„Kontrovers, aber wertschätzend“ sei das Gespräch gewesen, darin stimmen beide am Schluss des Videos überein. Und dann – bricht ein Shitstorm los! Ein „abschreckendes Frauenbild“ würde hier im Auftrag der EKD verbreitet, das gehört nicht zum EKD-Profil, sie se eine „trojanische Influenzerin“.
Wow! Als Beauftragtem für Sekten- und Weltanschauungsfragen der westfälischen Landeskirche müssten bei mir jetzt alle Alarmglocken aufleuchten. Meine Aufgabe ist es ja, evangelische Orientierungen im religiös-weltanschaulichen Pluralismus zu geben und dabei Problematisches wie etwa Fundamentalismus und Extremismus entsprechend zu benennen. Liegt hier so etwas vor?
Die beiden diskutieren in dem Video sehr differenziert und vor allem: trotz aller Kontroversen lassen sie sich gegenseitig in Wertschätzung stehen. Wenn nichts Menschenverachtendes formuliert wird, muss man es so machen: Die Gedanken sind frei. Auch die religiösen! In der Weltanschauungsarbeit funktioniert es genauso: dem Anderen, dem Fremden dialogisch begegnen. D.h.: Zuhören. Versuchen zu verstehen, was und warum das für ihn oder sie plausibel erscheint. Sich hinein zu fühlen, wie eine mir fremde Weltsicht funktioniert. Und dann differenziert zu unterscheiden lernen: Wo finde ich (vielleicht noch bislang mir verborgen gebliebene) Gemeinsamkeiten? Was sehe ich warum anders? Ist es mein Gottes- oder Menschenbild? Mein Verständnis des Heiligen, auch der Bibel? Sind es soziale oder ethische Konsequenzen, die ich anders einschätze? Die Binnensicht meines Gesprächspartners und meine eigene Außensicht lassen sich nur selten zur Deckung bringen. Und diese bleibende Spannung gilt es produktiv zu bearbeiten. Das geht nur in gegenseitiger Wertschätzung.
So wie das Video endete.
Dass dann aber ausgerechnet die Diskussionspartnerin den für mein Empfinden schärfsten Widerspruch formulierte, stößt mir ehrlich gesagt auf. Nun, Hanna Jacobs mag die Provokation und wollte ja auch schon (mit ihrer Vikariatserfahrung?) die Predigt im Gottesdienst abschaffen. Trotzdem: Jana Highholder als „trojanische Influenzerin“? Die also heimlich die EKD beeinflussen will, ja, die im Krieg mit der EKD liegt? Oder wenigstens mit dem liberalen Protestantismus? Das ist – zumal nach dieser Diskussion – ein befremdliches Bild! (Nebenbei zeigt der Bezug auf die griechische Mythologie auch fehlende Netzaffinität: Wer im Netz zu Hause ist, weiß auch ohne antike Bildung, was ein „Trojaner“ ist)
Ich genieße es in meiner Landeskirche – und das hilft mir auch in weltanschaulicher Orientierung – die große Vielfalt, ohne dass ich allem zustimmen muss. Und zu dieser Vielfalt gehört zweifellos auch das, was Jana Highholder hier ja doch recht differenziert beschrieben hat. Das hat nichts mit dem zu tun, was ich auch in manchen extremen Freikirchen kennengelernt habe (und worüber ich manchmal nur weinen konnte). Nein, sie ist keine Dorothee Sölle, wie JAcobs essich wünschen würde. Aber bei aller Hochschätzung: Dorothee Sölle ist auch nicht der einzige Maßstab.
Wenn die EKD keine jungen netzaffinen Menschen gefunden hat, dann ist das ein Armutszeugnis für uns. Und wir sollten uns lieber ökumenisch freuen über diese Zusammenarbeit. Religiöse Vielfalt kann bereichern – wenn man das bedenkt, was der eingangs genannt Erik Flügge pointiert in seinem Beitrag formuliert: „Ein Grundproblem der kirchlichen Kommunikation ist, dass sich Formate ständig vor dem persönlichen Geschmack und dem persönlichen Glauben anderer rechtfertigen müssen. Schnell wird alles, was persönlich nicht gefällt, theologisch angegriffen.“ Manche haben diesen Lernprozess – hoffentlich! – noch vor sich.
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