Veröffentlichungen in unserer Kirche sollen schon lange geschlechtersensibel sein, alles andere geht nicht durch. Das ist gut so. Mache ich natürlich auch. Und jetzt arbeite ich gerade an einer ganzen Reihe kurzer Texte für evangelische Gemeinden. Kirchliche Texte sehen immer den Asterisk * vor. Das geht mir ziemlich leicht von der Hand. Geschrieben und nicht gesprochen ist es ja auch absolut problemlos. Aber so beim gefühlt dreißigsten Mal beschleicht mich doch ein Verdacht: Das ist mir etwas zu locker. Einfach ein * gesetzt und schon allem gerecht geworden …?
Ich erinnere mich noch vor knapp drei Jahrzehnten, als ich zum ersten Mal mit feministischer Sprachwissenschaft in Berührung kam. Wie Professorin Brigitte Schlieben-Lange lässig-ironisch in mittelhochdeutschen Texten geschlechtertypisches Sprachverhalten kommentierte. Oder Luise Pusch und Senta Trömel-Plötz linguistisch mit viel Witz der männerlastigen deutschen Sprachstruktur zu Leibe rückten. Trotz des ernsten und berechtigten Anliegens hatte das immer viel Humor. Ich musste feststellen: Bei Kapitänen, Generälen und anderen wichtigen Führungsbegriffen sollen Frauen auch sprachlich „mitgemeint“ sein, aber Krankenbrüder, Putzmänner, Kindergärtner und Hebammer sucht man vergeblich. Ob diese Ungleichbehandlung nicht doch etwas mit den sozialen Realitäten zu tun haben sollte? Und ob deshalb das „generische Maskulinum“ keineswegs neutral ist, wie Strukturalisten bis heute behaupten, wenn sie von der „willkürlichen“ (oder sagen wir mit Ferdinand de Saussure fachkompetent: „arbiträren“) und auf Konvention beruhenden Beziehung von Bezeichnendem (Wort) und Bezeichnetem sprechen?
Ich habe damals viel gelernt. Wie die Sprache lebendiger werden kann, wenn man Verben statt maskuliner Partizipien verwendet. Oder in einem Gespräch mit der Linguistin Claudia Fuchs, die in Frankfurt über schulische Geschlechterfragen forschte, darüber, wie ich mit geschlechtertypischem Kommunikationsproblemen umgehen kann.
Vieles hat sich seitdem ja schon getan. Zumindest wird es nicht nur in feministischen Subkulturen diskutiert. Und mir stößt es auf, wenn jemand nur von Mitarbeitern spricht und dabei die Frauen „mit meint“. Pfarrer*innen oder Presbyter*innen gibt es auch bei uns in den Kirchen (und glücklicherweise ist in Westfalen „Präses“ als Leitungsamt tatsächlich geschlechtsneutral!)
Was mich jetzt stört beim Schreiben meiner Texte, ist die Leichtigkeit und Gewohnheit, die sich jedenfalls bei mir eingeschlichen hat. Ich schreibe das immer brav, ohne mir weitere Gedanken zu machen. Und stelle fest: Die dauernde Verwendung des Asterisk – * führt bei mir zu neuer Gedankenlosigkeit. Ich stolpere nicht mehr darüber. Aber da ist auch nichts mehr von der Dynamik der bewegten Diskussionen früherer Tage.
In der Kirche wird unsere Sprache bürokratisiert und von Wächter*innen kontrolliert. Natürlich ist die Suche nach alternativen Formen zum generischen Maskulinum sinnvoll und notwendig. Empirische Untersuchungen zu Stereotypen zeigen, dass dadurch Frauen tatsächlich viel besser wahrgenommen werden. Aber dieser bürokratische Umgang stört mich! Klar kann ich das machen. Aber wenn wir die Wechselbeziehungen von Sprache und Welt ernstnehmen, dann muss auch die Sprache widerständig sein. Dann muss das Aufnehmen der Geschlechter wehtun und Arbeit machen. Oder uns zumindest ein wenig stolpern lassen. Die „alten“ Feministinnen haben das immer gesehen und viele Beispiele gebracht, wie Sprache schön, lebendig und zugleich gender-gerecht sein kann.
Warum schreibe ich das gerade jetzt? Natürlich, weil augenblicklich wieder eine – eher rückwärtsgewandte – Diskussion zu diesem Thema geführt wird. Aber auch, weil soziale Gerechtigkeit und Teilhabe ein zentrales christliches Thema ist. Und weil ich mal wieder in Erinnerung rufen wollte: Selbst der in Frauenfragen nicht immer sehr sensible Paulus nennt ein sehr zentrales Gender-Thema, wenn er an die Gemeinden in Galatien schreibt: „In Christus ist nicht mehr Mann noch Frau.“ Und das meint er kaum biologisch, sondern in dem Sinne, wie heute Gender-Arbeit verstanden werden sollte. Das verwirklicht sich nicht in einem Akt der Bürokratie, sondern im lebendigen, sensiblen Umgang der Geschlechter miteinander. Also auch ein relevantes Thema für Christ*innen.
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