Im Frühsommer, in der Pfingstwoche, nutzten wir die Gelegenheit, das Neandertal-Museum in Mettmann zu besuchen. Klassenfahrten waren in diesen Wochen nicht möglich, es war angenehm leer.
Wandert man draußen im Tal der Düssel, kann man die Ausgrabungsstätten sehen, die diesen Ort so berühmt machten, als 1856 der Naturwissenschaftler Johann Carl Fuhlrott Knochenfunde einer ausgestorbenen menschlichen oder menschenähnlichen Gattung zuschrieb: Der Neandertaler war in aller Munde.
Im Museum selbst wird durch zahlreiche Exponate die Entwicklungsgeschichte der Menschheit vorstellbar. Neben biologischen Erkenntnissen werden auch soziale und kulturelle Themen behandelt.
Sehr beeindruckend und didaktisch gut gemacht.
Mit einem kleinen Schönheitsfehler: Wenn es um die Frage nach „Religion“ in der frühen Menschheitsgeschichte geht. Vor allem angesichts der Frage nach dem Anfang und nach dem Tod.
So wertvoll die wissenschaftlich-anthropologischen Aspekte sonst sind: hier ist noch viel Luft nach oben! Wenn schon beim Überblick über die Religionen behauptet wird, man könne angesichts der vielfältigen Ausprägungen nicht von „dem“ einheitlichen Islam sprechen, während dies beim Christentum problemlos gemacht wird – dann frage mich, welche Kompetenz ich in diesem Themenfeld hier wohl vermuten soll.
Der Tod soll im steinzeitlichen Kontext lediglich als Verlust der Gemeinschaft empfunden worden sein. Nun, die Frage nach einer Bestattungspraxis beim Neandertaler selbst scheint noch nicht so ganz entschieden – zumindest aber hat unsere 70.000 Jahre alte Schwesterart ihre Toten mit einem gewissen Respekt behandelt -, aber für spätere Entwicklungsschritte gilt als gut belegt. Grabbeigaben zeigen, dass es Vorstellungen von einem Jenseits gab.
In seiner Einseitigkeit bemerkenswert war schließlich der Lesetext zu den früheren Schöpfungs- und Jenseitsmythen. Sie „gelten als wahr“ und wurden weitergegeben, brauchen aber im Unterschied zur Wissenschaft keine Belege, sie würden „auch so geglaubt.“
Religiöse Deutung als bloße Vorstufe zum wissenschaftlichen Denken? Echt jetzt? Wird dort in Mettmann noch mit diesen simplen Entgegensetzung gearbeitet und dies den Schulklassen vermittelt? Gerade kultische Riten anlässlich von Ernte und Nahrung, zeigen doch, wie lebensbezogen besonders frühere Formen von Religiosität waren. Dies auf mehr oder weniger abstrakte weltanschauliche Sätze zu reduzieren, greift zu kurz.
Solche Simplifizierungen begegnen mir leider immer mal wieder in den Diskussionen mit Vertretern (hier mal ohne Gender-*, denn es sind ja fast immer Männer) naturalistischer Deutungskonzepte, in denen die Welt auf wissenschaftlich prüfbare Aussagen reduziert wird. Wer religiöse Texte wie die Bibel ernst nähme, müsse notwendig evolutionskritisch sein.
Ach, immer diese alten Kämpfe! Unterscheidungen wären hier angesagt. So macht man es sich sehr leicht. Die endzeitliche christliche Hoffnung auf eine neue Schöpfung im biblischen Bild des aus dem Himmel kommenden neuen Jerusalems stellt sich doch niemand (hoffe ich) wie die Landung eines gigantischen Heißluftballons vor. Die Hoffnung, die Christ*innen am Ewigkeitssonntag feiern, ist nicht experimentell zu prüfen, sondern spricht Existenzfragen an, die offensichtlich schon früh die Menschheitsgeschichte begleitet haben: Am Ende haben nicht die Würmer das letzte Wort, sondern Gott.
Ein schöne Brücke könnte könnte der Neandertaler selbst bilden: Der namengebende Fundort geht ja auf den Pastor und Liederdichter Joachim Neander zurück, der im Tal der Düssel häufiger Gottesdienste feierte. Vielleicht hat ihn diese Landschaft zu Texten wie dem bekannten Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren inspiriert.
Zweifellos hatten er wie auch der Knochendeuter Fuhlrott, der zunächst auch Theologie studierte, mehr Verständnis für das, was den Menschen ausmacht, als manche heutige Epigonen.
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