Interdisziplinäre Fragen haben mich schon immer interessiert. Als Schüler war auf voll auf der naturwissenschaftlichen Schiene, Mathe und Physik als Leistungskurse, und bin bis heute fasziniert von den Methoden und Erkenntnissen wissenschaftlicher Welterklärungen.
Früher, also zu meiner Schul- und beginnenden Studentenzeit, war es vor allem die Physik, das Thema Objektivität in quantentheoretischen Fragen und die Reichweite wissenschaftlicher Modelle, die nach meinem Eindruck den Diskurs bestimmten. Und es gab natürlich die dauernde Auseinandersetzung mit Evolutionsmodellen. Als ich in der Oberstufe christlichen Glauben entdeckte und leben wollte, wusste ich auch: Ich muss mich der Aufgabe stellen, die gut belegten Fakten einer evolutionären Entwicklung mit den biblischen Erzählungen von der Schöpfung zusammenzubringen. Kreationismus, also eine Alternativtheorie, die eine lange Evolutionsgeschichte zurückweist, kam zum Glück für mich nie in Frage.
In meinem Studentenwohnheim in Tübingen, dem Karl-Heim-Haus, wurden – in gewisser Weise dem Namensgeber folgend – solche fächerübergreifenden Projekte verfolgt.
An der Uni konnte ich einige Jahre am Arbeits- und Forschungsbereich Theologie und Naturwissenschaften mitarbeiten. Immer war für mich unabdingbar, zu prüfen, ob und wie christlicher Glauben vor dem Forum einer naturwissenschaftlich-technischen Gesellschaft bestehen kann.
Der jüngste Tagungsband der Karl-Heim-Gesellschaft greift also ein Thema auf, dass mich an diese lang zurückliegenden Erlebnisse erinnert: Ist Religion ein Produkt der Evolution?
Ja, klar ist es das. Aber damit ist noch nicht alles gesagt über Religion. Über meinen Glauben. Denn mit einer wissenschaftlichen Erforschung der Geschichte der Religionen und auch des Christentums bleibt man ja bei objektiv prüfbaren Faktoren. Man kann gut und gründlich untersuchen, was es mit der „Fitness“ einer Religion auf sich hat, wieweit sie beispielsweise Lebensverhältnisse zu sichern und stabilisieren hilft. Aber die „Innenseite“ des Glaubens wird damit noch nicht erreicht: Was kann ein solcher Gott tatsächlich ausrichten? Wie erleben Menschen ihren Glauben?
Die biologische Evolution beschreibt die physischen, die Sozialgeschichte die kulturellen Voraussetzungen. Betrachten wir beispielsweise religiöse Feste, so stehen dort gemeinsames Feiern und Essen und Trinken im Mittelpunkt. Solche sinnliche Erlebnisse bedürfen nicht zuletzt der – evolutionären – Ausbildung entsprechender Kauwerkzeuge und Geschmackssinne, wie sie die anthroplogische Forschung beschreibt. Aber wie sich darin eine Gotteserfahrung widerspiegelt, ist in dieser Entwicklung eben noch nicht zu erkennen.
Sehr spannend lesen sich hier die Beiträge des Theologen und Biologen Jürgen Hübner und des Weltanschauungskollegen und Ruheständlers Hansjörg Hemminger, die genau hier einsetzen. Und in vielen weiteren interdisziplinären Diskussionen zeigt sich immer wieder, dass die Frage nach Erlebnisqualitäten der entscheidende Grund dafür ist, dass eine Haltung, die nur wissenschaftlich Messbares als wirklich anerkennt, viel zu kurz greift. Wird also der christliche Glaube nur als ein Produkt evolutionärer Entwicklung beschrieben, bleibt doch das Wesentliche außer acht.
Dass ich dieses Buch nun freundlicherweise als Rezensionsexemplar bekommen habe, bot mir die Möglichkeit, in dieses alte und neue Thema noch einmal gründlich einzusteigen und mit der Erkenntnis herauszukommen, dass christlicher Glaube auch in unserer Wissenschaftswelt Bestand hat und sich nicht zu verstecken braucht!
Die ganze Rezension erscheint bald im Materialdienst der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen.
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