Früher war alles drei miteinander verbunden. Heute ist zumindest die Kirche raus.

Unterwegs auf dem Ostenhellweg in Dortmund, fast frühlingshaftes Wetter, obwohl wir noch im Februar sind. Ich möchte am liebsten die Augen schließen. Nicht wegen der Sonne. Nein, dort, wo sonst mein Blick auf die Reinoldi-Kirche fällt, steht jetzt ein großes Fahrgeschäft. In knalligem Blau. Das beißt sich, das passt überhaupt nicht! Der große Platz vor der Kirche wird gerade zugebaut, überall geschäftiges Treiben. Kirmes steht an. Na klar: Karneval! Ein buntes, fröhliches Treiben. Das alte, dunkle Kirchengebäude wirkt dagegen wie ein Fremdkörper. Altbacken. Aus der Zeit gefallen.

Es sieht für mich fast aus wie ein Symbol für die heutige Lage. Denn das gilt ja nicht nur an diesen „tollen Tagen“. Die Kirche und das, wofür sie steht, sind aus der Zeit gefallen.

Früher war das anders. Kirmes – das hieß mal „Kirchweihmesse“, also eine Messe, die etwas mit der Kirchweihe zu tun hatte, z.B. am entsprechenden Jahrestag. Eine fröhliche Veranstaltung, da ging es ähnlich ab wie heute. Und es war Teil des kirchlichen Lebens. Und Karneval hat sogar bis heute seinen offiziellen Abschluss mit dem Beginn der – kirchlichen – Passionszeit. Eigentlich schade, dass das so auseinandergefallen ist. Und dass Kirche, dass Glaube dann nur noch für das Ernste und Trauige stehen. Nicht nur schade für die Kirche. Ich glaube, es ist auch nicht gut für diese fröhliche, betriebsame Seite. Die „Karnevalisierung der Weihnachtsmärkte“ wurde es ja schon kritisch kommentiert – ob das der Adventszeit gut tut? Für den Karneval gilt vieleicht Ähnliches: Wer tief im Glauben gegründet ist, kann umso befreiter feiern. Wenn ich um dunkle Seiten weiß, leuchten die hellen umso mehr. Wo dieser Grund fehlt … – bleibt vielleicht alles grau und wird auch das Feiern reichlich beliebig. Kein Wunder, dass bei der vorletzten, sehr kurzen Adventszeit die Buden oft schon vor Totensonntag geöffnet wurden. Oder dass 1991 wegen des Irakkrieges Karneval ausfiel und im selben Jahr Halloween groß in Mode kam. Hauptsache feiern! Das ist dann manchmal doch sehr aufgesetzt. Wenn immer nur Fröhlichkeit angesagt ist, kommen viele Dinge aus meinem Innenleben kaum zur Geltung. Werden an den Rand gedrängt. Wirken fehl am Platz. Bekommen ihren Ort nur in der alten dunklen Kirche – wie in einer Parallelwelt.

„Carpe diem“ – nutze den Tag, pflücke ihn, genieße ihn! Fröhlichkeit bekommt bei mir jedenfalls angesichts dunkler Lebenserfahrungen viel stärker auch den Aspekt von Freiheit und Befreitsein. Ich bin dabei nun wirklich kein Karnevals-Anhänger. Aber wenn ich mir diese Ursprünge wieder in Erinnerung rufe, frage ich mich: Wer, wenn nicht die Kirchen, könnte denn die hellen mit den dunklen Seiten des Lebens zusammenbringen? Das könnte eine gute, neue Perspektive auf die Kirmes-Fahrgeschäfte und die Reinoldikirche ergeben.

Ok, aber dann die Marienkirche mit dem Voodoo-Jumper davor – das geht mir dann doch zu sehr in Richtung Religionsvermischung …