Zum Jahresanfang gab´s etwas Lustiges: In der Beilage Christ & Welt der Wochenzeitung Die Zeit konnte man sich prüfen: Welche Religion passt zu mir? und im Stil von populären Zeitungs-Psycho-Tests nach Kriterien aus insgesamt 10 Religionen suchen.

Man merkte schnell: Das ist nicht ganz ernst gemeint. Wenn neben Zahlen und Fakten auch die erfolgreichsten Blockbuster (hier hat das Christentum mit „Die Passion Christi“ die Nase vorn) oder die Flugstunden und der Reisepreis zur heiligsten Stätte (als Schamane zahlt man mit 776 Euro von Frankfurt nach Cusco Nähe Machu Picchu am meisten) oder Süße Sünden genannt werden. Am Ende dann die Auswertung, hier bekommt man Religionen vorgeschlagen: Wer gerne Punkte sammelt und Punktesysteme richtig findet, ist mit einer Karma-Religion gut bedient. „Sie mögen gut strukturierte Tage, Wochen, Jahre? Im Islam könnten Sie Ihren perfekten Terminplaner finden.“ Wer Sauberkeit für spirituell hält, dem wird der Schintoismus nahe gelegt und Abenteuerlustige finden im Voodoo einen Grund, ihren Rucksack zu packen.

Ich war amüsiert.

Auch als jemand, dem sein Glaube sehr wichtig ist. Selbstironie ist schließlich eine gute Hilfe gegen Verengung, gegen Fundamentalismus und Sektierertum.

Aber mal ernsthaft gefragt: Wählt man so tatsächlich „seine“ Religion? Nach Kriterien, die passend erscheinen? Ist jemals irgendjemand auf diese Weise ein glaubender Mensch geworden?

Welche Religion passt zu mir? Das ist sehr trendy. Postmodern. Ironisch.

Aber dass es unterhalb dieser selbstironischen Spielerei so etwas wie Wahrheit geben könnte? Dass jemand einen Glauben als wahr entdeckt? Das bleibt hier außen vor. Auch die Tatsache, dass bei einer solchen Entdeckung – oder gar bei einer Konversion! – sich Haltungen, Einstellungen, also das, was passt – ändern können. Dass es eher umgekehrt ist: Religiöser Glaube kann einen Menschen passend machen. Weil das, woran man glaubt, nicht einfach Objekt einer Wahl ist. Konsumobjekt in unserer Gesellschaft.

Ich glaube, niemand, dem sein Glaube wirklich wichtig ist, hat in Wirklichkeit so gewählt. Wer mit wirklich glaubenden Menschen spricht, entdeckt: Sie halten alle an einer Wahrheit fest, die sie entdeckt haben!

 

Und wie schön: Da gab es in derselben Zeitung auf der Religionsseite genau das: die Suche nach der Wahrheit des christlichen Glaubens. Was hat Jesus wirklich gesagt? Darüber schreibt der bekannte Journalist Franz Alt eine „Neujahrspredigt“. Wer wissen will, was Jesus wirklich gesagt hat, müsse aramäisch lesen. Denn das sei die Sprache gewesen, in der Jesus gesprochen hat. Unsere Evangelien sind aber in Griechisch verfasst – und das sei „falsch“! Franz Alt folgt dabei einem Aramäisch-Kenner, der die griechisch überlieferten Worte Jesu aus dem Neuen Testament ins Aramäische übersetzte.

Klingt spannend. Da schaue ich doch nochmal genauer hin. Natürlich ist das mit dem Aramäisch und dem Griechisch richtig. Aber: Wir haben nun mal keine aramäischen Jesus-Geschichten. Alle diese Rückübersetzungen bleiben Spekulation.

Auf der Suche nach der Wahrheit finde ich mich plötzlich mitten in meinem Arbeitsbereich der Sekten- und Weltanschauungsfragen wieder! Ich stoße auf Sektierertum, auf Verschwörungsdenken. „Für die meisten Theologen scheint das Aramäische geradezu tabu“, schreibt Alt. – Da haben wir sie, eine große kirchlich-theologische Verschwörung! Von Anfang an, denn die griechischen Evangelien seien ja „falsch übersetzt oder bewusst gefälscht.“ Seine eigene Entdeckung dagegen nennt er eine „Offenbarung“.

Tja, schade. Da sucht jemand nach der Wahrheit des christlichen Glaubens. Und präsentiert sie in Gestalt von Sektiererei und Verschwörungstheorien. Dann bleiben doch besser bei der postmodernen Selbstironie – oder?

Ich schaue nochmal in den ironischen Religionstest. Zum Christentum heißt es dort bei der Auswertung: „Sie mögen es unangestrengt? Zehn Gebote, größtenteils Selbstverständlichkeiten, mehr müssen Sie hier nicht tun.“

Das ist natürlich Quatsch (so wie die Zuschreibungen bei den anderen Religionen ja auch zwar amüsant, aber nicht weniger unsinnig sind). Ich muss als Christ noch nicht  mal die 10 Gebote halten (Warum die eigentlich nicht für das Judentum vorgesehen sind, ist mir rätselhaft, aber hätte natürlich die Pointe beim Judentum gekostet).  Ich „muss“ gar nix. Und das ist alles andere als „selbstverständlich“.

Ich würde lieber formulieren: „Sie strengen sich an, aber es bringt nix? Vergessen Sie alle weiteren Versuche. Ob aramäisch, sauber oder geordnet. Jesus macht das für Sie. Aus allen Bruchstücken etwas Ganzes und Heiles.“

Dann kann ich mich mit allen halbfertigen Facetten meines Lebens in die Begegnung mit anderen Glaubenden begeben. Kann versuchen, mich einzufühlen und sie zu verstehen. Und dann meinen Senf dazu geben. Nicht aus Rechthaberei, auch nicht aus postmoderner Distanz und bloßer Ironie. Sondern im Wissen, dass Gott selbst mich trägt. Das ist (m)ein Weg, jenseits von fundamentalistischem Sektierertum und religiöser Relativierung.